„FREISCHWIMMER“, Installation, „Altes Zollhäuschen“, KuKuK e.V., B-4730 Raeren, von Christoph Steeger, 20.7. – 31.8.2025. - Im ehemaligen Zollhäuschen an der deutsch-belgischen Grenze wird es eine bewegte Installation aus glanzvollen Objekten geben. Sie werden angestrahlt, damit sie wirken wie Preziosen im Schaukasten, denn eine „Schau“ soll es sein, die man sieht, wenn man vorbeifährt oder wenn man davor stehen bleibt und die „Akteure“ in ihren bedächtigen Bewegungen beobachtet. Die Architektur des Zollhäuschens mit seinen rundumlaufenden Glasflächen mutet außerdem an wie ein Aquarium. Daher gleichen die „Akteure“ Schwimmern oder Tauchern in Lebensgröße. Sie hängen an Schnüren von der Raumdecke ab. Sie sind hergestellt aus leichten Platten und Hochglanzfolien. Ihre Kontur lässt offen, ob es sich um männliche oder weibliche Wesen handelt, und sie schweben nach Art eines Mobiles verteilt auf drei verschiedene Höhen über dem Boden, so dass sie sich frei drehen können. Das tun sie auch fortwährend, denn sie werden von einem sanften Luftstrom (Ventilator) in langsamer Bewegung gehalten. Die Schwimmer werden tags wie nachts von verdeckt angebrachten Scheinwerfern angestrahlt, damit sie das goldene Licht nach außen reflektieren. Das Grundlicht des Innenraums ist jedoch hellblau. Insgesamt erscheint der Raum etwas zu voll. Eventuell entsteht der Eindruck eines Schwarms? Friedlich sind die Wesen in jedem Fall. Aber „abhängen“ tun sie auch. Man könnte fragen: „Wovon“? Es ist unklar, warum sie sich dort zusammengefunden haben. Sind sie freiwillig da drinnen oder werden sie dort festgehalten? - Ein riesiges Goldfischglas? - Ein überfüllter Wellnesspool im Spa? … Vielleicht liegt in der Schwarmbildung ein Gefühl von Sicherheit? Im Meer ist sie eine Strategie des Überlebens. In Demokratien eine Strategie der Mehrheitsbildung. Denn die Mehrheit setzt sich durch, mit welchen Zielen auch immer. Dabei machen Menschen gelegentlich eigenartige Sachen: Sie füllen große Stadien und schreien und singen für ihre Teams, sie lassen sich auf riesige Schiffe pferchen, rundumversorgen und über die See von Station zu Station schippern, sie versammeln sich des Sommers Handtuch an Handtuch an den Stränden der Meere und plantschen dicht gedrängt im seichten Wasser, … sie reisen und sind mit Inbrunst unterwegs: „grenzenloses Vergnügen“ oder „Flucht“ oder „begrenzte Flucht“? – Unser Freiheitsbedürfnis stößt auf Begrenzungen: im Inneren durch Ängste und in der Außenwelt durch Regeln, Gesetze, Mangel und Landesgrenzen, hier veranschaulicht durch den Standort der Installation im Zollhaus an der belgisch-deutsche Grenze und durch die „Freischwimmer“, die zwar schweben und sich frei drehen können, wie sie wollen, aber gleichzeitig „abhängen“ und in ihrem gläsernen Raum gefangen bleiben. Michael Mann beschreibt in seinem Buch, „Geschichte der Macht“, triftige Gründe - wie Annehmlichkeiten, Status, etc. -, welche den Einzelnen einwilligen lassen, sich einer Herrschaftsstruktur zu unterwerfen, und bezeichnet diese Gründe als „Käfigfaktoren“. Und auch wenn der Käfig hier aus Glas ist, suggeriert er eine Enge, welche die darin Lebenden leicht zur Annahme verführt, ihr Leben sei das einzig richtige und ihr Lebensraum sei die Welt, denn schließlich wird man in diesem Glauben ständig durch die Gruppe vergewissert. Und wenn dem so wäre, erklärten sich die gemeinsamen Rituale wie das Brüllen oder Chillen, als die gemeinschaftliche Hingabe an eine identitätsstiftende Idee: man erschafft sich Götter, „Fußball Götter“, „Sonnengötter“, … . Und wenn das geschieht, dann werden diese zu goldenen Ikonen, zu Gegenständen kollektiver Anbetung … Christoph Steeger